Nach 15 Jahren gibt es wieder Anstoss – oder so ähnlich. “We are Football” ist von Anstoss-Erfinder Gerald Köhler, der auch nach dem Ende von Anstoss 2007 beim Fußball Manager von EA mitarbeitet hat, es kam am 10. Juni auf den Markt – passend dazu wenige Stunden später ein Megapatch von FM-Zocker mit 1370 editierten Vereinen – das zeigt, welche Power die Community hat und wie groß die Erwartungshaltung war, endlich wieder einen guten Fußballmanager auf dem Markt, der vor allem im deutschsprachigen Bereich viele Fans hat.
Werden die Erwartungen erfüllt?
Die Reaktionen der Fans in den diversen Foren fallen – bei aller Kritik an einzelnen Bugs oder Kinderkrankheiten zu Beginn – positiv aus. We are Football ist wieder eine klassische Simulation, bei der man in der Vereinszentrale unzählige Einstellungen von der Taktik bis zum Training oder den Fangesängen vornehmen kann. Besonders reizvoll sind die optischen Features Vereinsgelände und Stadionausbau sowie das Vereinsmuseum. Auf diese – seit Anstoss 3, das im Jahr 2000 herauskam, schmerzlich vermissten Angebote waren die Fans besonders gespannt.
Und das ist auch die größte Stärke der neuen Simulation: Das Vereinsgelände ist wieder im Simcity-Modus ausbaubar, es gibt eine großartige 3D-Ansicht dazu, in der es im Winter schneit, es dunkel wird, und Regen tropft. Man kann wie in späteren Anstoss-Editionen bis weit in den Wald hinein bauen, die Vereinsfarben zieren die Gebäude, hier kann man sich nach Herzenslust austoben. Wie oft hat man dies vom Fußballmanager oder gar vom Fifa-Karrieremodus gefordert, jetzt ist es wieder da!
Auch der Ausbau des Stadions geht es viel einfacher und per Drag and Drop als beim FM – und man sieht sofort und mit einem Klick, wie es aussieht. So entstehen schöne und realistische Abbildungen der realen Stadien. Besonders gelungen ist das Vereinsmuseum – hier sind die Trophäen alter Meisterschaften und Titel in Vitrinen, ein herrlicher Rundgang durch die Vereinsgeschichte, so etwas gab es noch nie.
Ist WaF das neue Anstoss?
Das restliche Spiel ist sozusagen Anstoss 3 im neuen, zeitgemäßeren Gewand. Gut 100 Halbzeitansprachen (mit dem alten Sprecher von Anstoss), ein ausgeklügeltes Spieler- und Trainingssystem, Spielergespräche, eine medizinische Abteilung, wie bei FM eine erste und zweite Mannschaft, ein Kalender für die Planung der Managementaufgaben.
Neu sind Features wie Belohnungen für erreichte Ziele, und Aktionspunkte für ungewöhnliche (oder auch illegale und unfaire) Aktionen etwa bei Verhandlungen oder Spielmanipulationen, was den Langzeit-Spielspaß erhöht. Durch die kompakte Simulation wird das Versprechen von Gerald Köhler erfüllt, eine Saison in 2 Stunden abschließen zu können. Dazu eine flotte Musik und optisch ansprechende Menüs – Fans des klassischen Fußballmanagers werden auf ihre Kosten kommen.
Das Manko: Die Spieldarstellung
Die einzige echte Schwäche des Spiels ist der totale Verzicht auf jede 3D-Spieldarstellung. Die Partien werden auf einem Fußballplatz mit Strichen, Fußballgeräuschen und Köpfen der Spieler nachgestellt – aber man sieht keine einzige Videosequenz des schönen Stadions oder gar die eigenen Spieler auf dem Platz. Das mag dem kleinen Entwicklungsteam der neu gegründeten Softwarefirma geschuldet sein oder auch dem kleinen Budget – aber da war sogar Anstoss schon weiter.
Der alte Textmodus fehlt, die Spieldarstellung ermüdet, so dass man sie auf schnell vorspult. So bleibt WaF eine Managersimulation- und die ist sehr gut, sehr ansprechend. Wer keinen Wert auf ein Stadionerlebnis und die Action der Spieler legt, ist hier richtig.
Der Vergleich mit dem Fifa Karrieremodus und FM
Es bleiben zwei Welten: Das Arcade- und Spielzentrierte Fifa mit dem Karrieremodus – und die Wirtschaftssimulation. We are Football hat vieles, was Fifa und FM nicht haben: Vereinsgelände, Museum, Stadionausbau, zweite Mannschaft, irre viele (auch historische Statistiken). Das Mikromanagement rund um den Platz ist unglaublich detailliert, manche Spieler toben sich hier stundenlang an noch der kleinsten Variation aus.
Der Fifa Karrieremodus reduziert diese Punkte auf Transfers, Budget, wenige Spielergespräche, Zeitungsartikel und einige wenige Statistiken, dafür ist das Stadionerlebnis mit einem einzigartigen Realismus unerreicht und trägt so mehr zur Identifikation mit dem Club und der Mannschaft bei als noch das 1001. Textmenü. Da kann auch der Fußball Manager nicht mithalten, dessen 3-D-Modus eine sehr spannende Spieldarstellung hat (in die man anders als bei Fifa nicht selbst eingreifen kann), doch das Gekicke wirkt dort viel mehr vom Computer erdacht und die Spieler sind nicht so extrem individualisiert wie bei Fifa.
Die beste Lösung: Fusion wie es früher schon mal war!
Eigentlich wünschte man sich alles zusammen: Die Simulation von WaF, das Vereinsgelände und das Aufmarschieren im Stadion mit Spielmöglichkeiten. Detailtiefe und optische Darstellung, das wäre die Lösung! Es gab das schon mal zwischen EA Fußballmanager und EA Fifa 2004 bis 2006 – da konnte man mit dem simulierten Verein dann wirklich spielen! Warum das eingestellt wurde, entzieht sich der logischen Erkenntnis. Da EA sich aber weigert, zu dem spielzentrierten Fifa Karrieremodus die Simulationsfeatures zu stellen und WaF die Ressourcen für eine aufwändige Videosimulation fehlen (insofern war der Verzicht auf halbgare Lösungen konsequent), wird dies ein Traum bleiben.
Fazit: Jeder Titel hat seinen Reiz
Alle drei Titel, der von Fans nach dem Aus 2013 mit Fandaten fortgeführte Fußballmanager (oder in der drögen Tabellenvariante auch der Sega Football Manager) mit der Kombination von Detailtiefe und Optik, die Wiederauferstehung von Anstoss mit dem Humor und der Simulationstiefe – und natürlich der Fifa Karrieremodus haben ihren Reiz, je nachdem, welchen Scherpunkt man legt. Für uns als Karrieremodus-Blogger und Fans bleibt der Fifa-Karrieremodus das Maß aller Dinge – weil es ein einzigartiges Stadionerlebnis mit Management-Elementen verbindet. Dennoch ist WaF zur Abwechslung eine Alternative.
Bleibt zu hoffen, dass EA die Konkurrenz endlich mit neuen Karrieremodus-Features in Schach halten will – möge der Wettbewerb beginnen!