VfB Stuttgart: Das verflixte zweite Jahr und eine Lehrstunde von Pep Guardiola

Es ist das verflixte zweite Jahr nach dem Aufstieg für den VfB Stuttgart im Fifa Karrieremodus, das alle Vereine kennen, die es ins Oberhaus geschafft haben und sich dort überraschend gut schlagen. „Ich hoffe nach dem durchwachsenen Saisonstart, dass wir uns stabilisieren“, sagt der Neuzugang Ryan Gravenberch. Er kennt die Situation von seinem früheren Club Ajax Amsterdam, der nach der Finalteilnahme in der Champions League ähnliche Schwierigkeiten hatte.

Die Erwartungen und Ansprüche wachsen, die Leichtigkeit und Unbekümmertheit ist weg. Das zeigt sich auch im nächsten Spiel gegen den SC Freiburg, dem Südwestderby.

In der Vorsaison hat man die Südbadener noch vom Platz gefegt. Jetzt steht das Team um Grifo und Memehdi bis in die Haarspitzen motiviert im Daimlerstadion und will es den „Sauschwaben“ zeigen. Der VfB geht zwar in der 7. Minute durch Mount in Führung, doch dann läuft man den Freiburgern fast nur noch hinter her. Es steht 1:1, in der 86. Minute schießt Memehdi nach einem sauberen Konter sogar das 1:2. Die nächste Pleite droht. Bis Tanguy Coulibaly in der 90. Minute von rechts losstürmt – und den Ball ins lange Eck zimmert. Immerhin unentschieden – aber die Form ist miserabel.

Erstes Champions-League-Heimspiel und Defensivtaktik

Ein Aufbaugegner muss her. Wer könnte dafür besser passen als der österreichische Bundesligist LASK aus Linz? Der marschiert zum ersten Heimspiel in der Champions League seit zehn Jahren auf dem Cannstatter Wasen auf.

Endlich ein Gegner, der Platz zum Stürmen und Kombinieren lässt. Es wird ein Schützenfest, die Österreicher können in keiner Beziehung mithalten und werden mit 7:2 vom Platz gefegt. Esposito, Gonzalez und am Ende sogar Lilian Egloff schießen sich den Frust des verpatzten Saisonstarts von der Seele. Die Stimmung im Stadion ist grandios, es fühlt sich wieder an wie die Begeisterung der vergangenen Saison. „Das war fantastisch, Boss! Was für ein Erlebnis“, sagt der der junge Rechtsverteidiger Christian van Doorn, ein VfB-Eigengewächs.

Der Trainer Rafael Binkowski stellt zudem die Defensivtaktik um. Die Außenverteidiger Maffeo und Pedrosa sollen bei Angriffen hinten bleiben, das ganze Team steht etwas weniger hoch, um bei Attacken der Gegner den Ball besser halten zu können. Auch die Mittelfeldspieler sollen mehr aushelfen, so dass die Viererkette möglichst lange beisammen bleibt und erst im letzten Moment attackiert oder blockt.

Zudem kommt der pfeilschnelle und torgefährliche Silas Wamangituka nach 7 Monaten Verletzung  wieder zurück ins Team, sein Kreuzbandriss ist auskuriert – damit könnte das Flügelspiel wieder neu belebt werden.

Die Jungen Wilden stürmen wieder

Als wäre ein Schalter umgelegt, läuft es jetzt wieder. Gegen den VfL Wolfsburg schießt der junge Grieche Christos Tzolis drei Tore beim 4:2-Sieg, einmal verlädt er mit einer sehenswerten Körpertäuschung direkt vor Torwart Casteels wunderbar das Gegenüber. Und gegen Schalke 04 spielt sich Nicolas Gonzalez in einen wahren Rausch und steuert alle 5 Tore beim 5:2-Sieg bei. Der VfB steht wieder auf Platz 5 der Tabelle.

Doch nun wartet die ultimative Herausforderung: in der Gruppenphase der Champions League geht es gegen Manchester City, erstmals einer der Top-Clubs in Europa. Und danach kommen die Bayern im DFB-Pokal.

 Harte Kämpfe mit Bayern und Manchester City – und ein Youngster glänzt

Noch eine Achterbahnfahrt wie gegen Lazio Rom will sich der VfB nicht mehr erlauben. Fokussiert steht die stabilisierte Mannschaft auf dem Platz und hält gegen das große Manchester City topmotiviert auf dem Platz. Kevin de Breune, Agüero, Gündogan, Sterling, Grimaldo sind sich im eigenen Stadion wohl zu sicher, die junge Mannschaft aus Stuttgart an die Wand zu spielen.

Plötzlich müssen die Citizens im Daimlerstadion nach viel VfB-Druck kontern, Tzolis und Mount schießen zwei Tore, Agüero und Silva gleichen aus. In der Pause fragt sich der MCI-Trainer Pep Guardiola: Was passiert denn da? Und nach der Pause trifft auch noch Gonzalez. Auswärtssieg gegen Manchester City! Einziger Wermutstropfen: Gravenberch bleibt verletzt liegen. Noch ein Kreuzbandriss, sieben Monate Ausfall.

Da sich auch Friedrich vier Wochen lang verletzt hat, wird die Not im Mittelfeld groß. Daher feiert man den lange ersehnten 16. Geburtstag des Riesentalents Eden Dubreuil (GES 66), der sofort einen Profivertrag als zentraler Mittelfeldspieler bekommt.

Der nächste Pokalkracher: Der FC Bayern kommt im DFB-Pokal.  Im Saisonfinale der vergangenen Spielzeit wurde der VfB noch ziemlich abgefertigt. Doch die Bayern sind außer Form, und beim VfB läuft gerade alles rund. Die Rückkehr von Silas Wamangituka belebt das Flügelspiel auf ungeahnte Weise, Tzolis, Mount und Gonzalez sind in Bestform. Der VfB gewinnt dieses Spiel mit 5:1. Etwas zu hoch ausgefallen – doch eine weitere Verletzung von Benjamin Friedrich macht die Not im Mittelfeld noch größer.

Für den Youngster Eden Debreuil so vielleicht die Chance, zum Stammspieler zu reifen. Auch Düsseldorf und Hannover werden mühelos besiegt.

Rückschlag in der Champions League

Mit ganz breiter Brust fliegt die VfB-Crew nach Manchester zu den Citizens. Mit einem Sieg in Nordengland wäre der Gruppesieg perfekt, eine ideale Ausgangsposition fürs Achtelfinale. Mit Eden Debreuil steht ein 16-Jähriger auf dem Platz, der vor wenigen Wochen noch in der A-Jugend vor 20 Zuschauern gespielt hat. Doch der zeigt sich von der Wahnsinnskulisse unbeeindruckt: „Ich will einfach nur spielen.“

Zunächst läuft alles gut. In der 11. Minute schießt Christos Tzolis das 1:0, die Sorgenfalten von Pep Guardiola am Spielfeldrand werden tiefer. Doch dann dreht sein Team auf, der VfB kommt kaum noch über den Mittelkreis hinaus. Sterling, Kevin de Breune und Silva schießen die Roten aus dem Stadion.

Dass Trainer Binkowski den 16-jährigen Eden Debreuil im Mittelfeld ausgestellt hat, verteidigt dieser vor der Presse: „Ich hatte vor diesem Spiel lange darüber nachgedacht, ober heute spielen kann. Ich habe ihn seit seinem Aufstieg in die Profimannschaft genau beobachtet und war überzeugt, dass er es kann.“ Damit gibt er auch gegenüber dem nach abgebrochener Ausleihe vom SV Sandhausen zurückgekehrten 20-jährigen Dänen Nikolas Nartey (67 Stärke) den Vorzug – zu dessen deutlichen Missvergnügen.

Das gilt auch für das nächste Ligaspiel, schon wieder die Bayern. Debreuil steht als ZM auf dem Feld, und kann erneut überzeugen. „Ein Wahnsinnsdebut“, schreibt die Zeitung. „Ich wusste, dass er gut genug ist“, sagte der Trainer Binkowski. Das Spiel endet Remis – Gonzalez und Tzolis gegen zwei Mal Müller – eine Begegnung auf Augenhöhe.

Nun richtet sich der Blick auf die Champions League: Gegen Lazio Rom geht es bei Punktgleichheit um Platz zwei in der Gruppe und ums Weiterkommen.