In England galt seit dem Einstieg des russischen Milliardärs Roman A.der FC Chelsea 2003 endgültig als Krösus. „FC Chelski“ wurde er spöttisch genannt, mit viel Geld wurden teure Spieler verpflichtet, trotz der Meisterschaft 2017und der Champions-League-Gewinns 2012 und der Europa League 2013 und 2019 wurde der Verein an der Stamford Bridge eher gehasst als geliebt.
Und nun im Sommer 2020 der Schock: Der großzügige Geldgeber hat das Land verlassen! Offenbar hat sich mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin überworfen und hat Sorge, einem Anschlag des Auslandsgeheimdienstes SWR zum Opfer zu fallen. Die spektakuläre Flucht auf die Cayman-Islands muss mit Koffern voller Geld passiert sein – denn in den Kassen des Londoner Clubs herrscht gähnende Leere. Die Lizenz für die Premier League war futsch, das Starensemble mit Millionengehältern stand ohne Einnahmen da.
Der englische Fußballverband Football Association erließ drastische Auflagen: Der berechnete Schuldenberg von 400 Millionen Euro muss durch den Verkauf von Spielern reduziert werden, der Verein wurde in die EFL League II, die vierte englische Liga, zurückgesetzt.
Über drei Jahre ist ein Transferüberschuss vorgeschrieben. Durch Verkäufe von Anteilen soll zudem ein Fonds gebildet werden, mit dem der Verein saniert wird, um für „nachhaltige Entwicklungen“ zu sorgen, wie in den dem Vertrag etwas schwammig heißt.
Was macht Donald Trump in Exeter?
Sämtliche Stars des Vereins verließen sofort die Mannschaft. Interessanterweise gingen die meisten zum erst kürzlich überraschend in die Premier League aufgestiegenen Provinzclub Exeter City, der sozusagen das Auffangbecken ehemaliger Chelsea-Stars wurde – offenbar ist auch hier ein Investor am Werk, der einen kleinen Club groß machen soll. Gerüchten zufolge soll sich der abgewählte US-Präsident Donald Trump ein neues Hobby gesucht haben …
Neustart mit englischen Talenten
Der totale Neustart für Chelsea auf allen Ebenen. Dafür wurde mit Sarah Sol Mikström eine Trainerin verpflichtet, die (in Fifa 20) mit dem Aufstieg des 1. FC Heidenheim bis zur Champions League bewiesen hat, dass sie Krise kann und ein Team zu transformieren weiß. Doch diese Herausforderung ist ungleich härter – wie soll in der Rumpelliga des englischen Fußballs der einstiege Bonzenclub reüssieren?
Die Stars sind für die Sanierung verkauft: Timo Werner, Emerson, Antonio Rüdiger, Thiago Silva, Kurt Zouma, Kai Havertz, Gorginho, sie spielen alle jetzt im Süden Englands, um „Exeter Great Again“ zu machen, wie der neue Clubbesitzer es sagen würde. Durch die Erlöse konnte ein Teil der Schulden bezahlt werden. Wie soll es nun weitergehen?
Frank Lampard führt den Club
Die Chelsea-Legende Frank Lampard, bislang Trainer, erklärte sich bereit, die Führung des insolventen Vereins zu übernehmen. „Ich fühle mich der Stamford Bridge verpflichtet“, sagt er. Das Ziel ist klar: Die Rückkehr in die Premier League in fünf bis sechs Jahren. Statt Weltstars soll nun radikal auf Jugendarbeit gesetzt werden, ein totaler Imagewechsel.
Drei junge Starspieler des alten Teams allerdings halten dem FC Chelsea die Treue – und sind bereit, drastische Gehaltskürzungen hinzunehmen: Mason Mount, Reece James und Billy Gilmour.
Dazu konnten eine ganze Reihe von hoffnungsvollen Talenten unter 20 Jahren verpflichtet werden, die Potenzial für den langen Wiederaufsteig haben, aber in ihren Clubs nicht über das Reservistendasein kommen. Es hat Frank Lampard und Sarah Sol Mikström einige Überzeugungskraft gekostet, sie für einen Neustart in Liga vier zu überzeugen – doch die Perspektive und das neue Image des FC Chelsea waren ausschlaggebend.
Ein junges Team voller Talente
So kommt etwa der 20-jährige Illan Meslier (GES 70) von Leeds United als Torwart, der als eines der größten Torwarttalente des Landes gilt. Oder der US-Amerikaner Dennis Dirkin (LV, 61), der in der belgischen zweiten Liga spielt. Und Ian Maatsen (LV/RV, 61), der von Charlton Athletic abgeworben wurde. Aus dem eigenen Stall der Chelsea-Jugendakademie bleibt der Waliser Ethan Ampadou (IV, 67) an Bord, der kurioserweise früher für Exeter gespielt hat. „Die sind verrückt mit ihren alternativen Fakten“, sagt er zu seinem Ex-Club.
Ein weiteres Talent ist der Innenverteidiger Jarrad Branthwaite (63) vom FC Everton, ebenso vielversprechend sind Dujon Sterling (RV, 63), Tommy Doyle (ZM) und Curtis Jones (ZM).
Für den Sturm die Teenager Joe Gelhardt, Jugendnationalspieler und Nachwuchshoffnung von Leeds United, der bislang aber in der U23 dort spielte und nur Gastauftritte in der Premier League hatte. Er soll sich mit dem Portugiesen Fabio Silva sowie Timmy Abrahams von Plymouth ergänzen.
Auf den Flügeln sollen zwei schnelle Spieler für Druck sorgen: Ricky–Jade Jones vom Zweitligisten Peterborough United, den der dortige Manager als „schnellsten Spieler jemals“ bezeichnet hat, er hat eine 91er Stärke und kann auch im Sturm auflaufen, ein Riesentalent. Für die Außenbahn kommt Harvey Elliot, der über Liverpool und Fulham bei Blackburn Rovers in der zweiten Liga spielt und ebenfalls enormes Tempo hat.
Eines der spannendsten Fußballprojekte in Europa
Dass diese Nachwuchshoffnungen für den FC Chelsea in der vierten Liga unter einer jungen Trainerin auflaufen, ist eine kleine Sensation. „Wir wollen hier etwas Großes aufbauen. Ohne viel Geld wollen wir zeigen, dass mit entwicklungsfähigen Spielern auch ohne Millionen guter Fußball gespielt wird“, sagt der Vereinschef Frank Lampard.
Angesichts der vielen englischen Wochen mit drei Pokalwettbewerben und vielen Ligaspielen wird der Kader breit aufgestellt, ein komplettes B-Team steht bereit. Dazu kommen einige bisherige Chelsea-Spieler aus der 2. und 3. Reihe.
Mit diesem Kader sollte der schnelle Aufstieg in die EFL League I, die dritte Liga, möglich sein. Zudem werden aus dem Nachhaltigkeits-Fonds des Vereins drei Top-Scouts für Jugendarbeit finanziert.